11 Thesen über Graffiti
Die folgenden Thesen wurden unter dem Titel Graffiti als männliche Show-Realität veröffentlicht in Das Radikale (Berlin 2017).
Von Christoph May
Zur Einstimmung empfehle ich zwei Video-Essays auf Youtube:
I. Graffiti on Trains, Walls and Girls
Graffiti on Trains, Walls and Girls. Graffiti auf den drei Säulen männlicher Macht: Maschinen, Bauwerke und Frauen. Oder: Auto, Heim und Heimchen. Konsole, Couch und Liefer-Service. Fussball, Kneipe, Prostitution usw. – Hostmoderne Männerphantasien sind nicht üppig und bemerkenswert gefühlsarm, gerade deshalb aber seit jeher äußerst beharrlich und dominant; und sämtlich von annektierendem Charakter.
Nach Theweleit kommt männliches Begehren in konkreter und psychischer Landnahme zum Ausdruck. Wir leben gar in einem beschleunigten kolonialen Zeitalter. Allerorten wird wie irre um Land gekämpft, Land eingenommen, Land ausgenommen, besiedelt, beackert und bebaut. Landtaking-Acts are daily Top-News.
Doch kein Ort nirgends: Wie lässt sich die männliche Landnahme-Lust befriedigen, wenn jedweder Winkel der Welt bereits besprungen, besungen und begoogelt ist? Indem Mann die altbekannten Orte neu bespielt. Diesmal flüchtig und unbemerkt, schnell rein und wieder raus, ganz ohne Feindkontakt und Stellungskrieg, ohne Massengrab, Vergewaltigung und Plünderung. Aneignung ohne jedwede Enteignung.
Und dennoch ein Stück Land auf der körperinternen Karte erkundet, erobert und vermessen; ein neues Hektar psychogeographische Gefühlslandschaft freigelegt. Die Ausweitung innerer Kampfzonen ohne Verluste im Außen: für eine kaum spürbare Empfindung, für das geringste Gefühl (eine Träne, Liebe, Mitgefühl) müssen virile Adoleszenten noch immer hart arbeiten, viele Welten retten, zerstören, wieder aufbauen, angreifen, retten, zerstören usf.
Jede These schließt mit drei Zitaten von Berliner Sprühern über Graffiti. Zum Teil kommen auch Cops, Mütter und Photographen zu Wort. Ihre Statements beziehen sich inhaltlich auf die Thesen des jeweiligen Kapitels. Ich nehme sie ihnen sprichwörtlich aus dem Mund:
ACID79 / DRM
„Man lässt halt oft dann die Sachen, die wirklich wichtig sind, im Hintergrund stehn. Und wenn man dann irgendwann aus dem [Graffiti-]Traum erwacht, dann merkt man: man hat eigentlich gar nichts!“
SPAIR / NVE
„Alltagsflucht und Ausgleich, Erfolgserlebnis und Wettkampf, Abenteuer.“
EXOT / PVC
„In Erscheinung treten als Teil von etwas, ohne auf sich selbst zurückgeworfen zu werden. Kleine Sprengungen vornehmen und als Partikelwolke verkleidet in der Gegend rumgeistern. KLING – KLONG! Happy Schizophrenie!“
II. „Die symbolische Handlung als ultimative Tat“
Graffiti-Boys sind ziemlich gut darin! Wie junge Feldherren üben sie sich heimlich in symbolischen Landraub und symbolischer Kriegsführung. Ob Raub, Mord, Vergewaltigung oder Vertreibung: männliche Kriegsverbrechen werden hier kulturell transformiert und im Verborgenen der Stadt en detail nachgespielt.
Jeder neue Tunnel, jede weitere Neulandgewinnung verändern die biochemischen und physiologischen Eigenschaften der männlichen Körper und ihres Unbewussten. Ihre neuronalen Netze verbinden sich direkt mit dem Strecken- und Straßennetz der Stadt. Unzählige Nervenbahnen werden wie U-Bahnen oder Autobahnen neu verlegt und ausgebaut.
Oder gleich komplett nachgebaut: vor dem Künstlerhaus Bethanien in Berlin Kreuzberg haben Graffiti-Sprüher 2005 eine zusammengezimmerte Kleinstadt errichtet; mit Häusern aus Buchstaben und natürlich mit selbstgebauter U-Bahn. Ein ephemerer, symbolischer Ort: die „City of Names“.
NOHS
„Wenn man mit der S-Bahn fährt, kann man eine Art Dauerausstellung betrachten. In meinem Leben habe ich viel Zeit damit verbracht, mir etwaige, teilweise auch wechselnde Dauerausstellungen anzuschauen.“
KRAD
„Jeder schafft sich sein eigenes Universum, in dem er sich bewegt und in dem sich jeder was wünscht.“
TIK
„Allerdings leben wir in einer Weltstadt, die sich fast schon zu schnell stetig verändert. Eines ist jedoch sicher, der Schacht bleibt in seiner Atmosphäre, nur dort bleibt die Zeit stehen.“
III. Im Sog der Umgebung
(halb sog sie ihn, halb sank er hin)
Auf zur Gelände-Jagd! Der Graffitero schleicht über fremdes Terrain, entert und betritt Neuland. Er scannt das gesamte Gebiet plus Fetisch-Objekte: Züge, Wände, Hidden Places. Der Körper unseres Landmannes setzt zum Sprung an, hinein aufs freie Feld der Eroberung. Die Landgewinnung im Außen verändert unmittelbar die Topographie seines Gehirns (Plastizität), die innere Landschaft und seine Männlichkeit.
MICRO / DRM
„Nja, man is halt immer auf der Suche nach geeigneten Spots. Das heißt viel Rumfahrn, viele Stellen anguckn, nja extrem viel Zeit investiern.“
PESD / QB
„Ja, man hats n bisschen im Blut, wenn man sich jahrelang immer wieder die Stellen anguckt und auch malt, denn kriegt man auchn Gefühl für Stellen und weiß, was geht und was nich geht.“
HEZHT
„Orte sind irgendwann fast wichtiger geworden, als das Anbringen von Graffiti am jeweiligen Ort.“
IV. Into the Shoot: Topologie der Totale
Die Fotografie bestimmt maßgeblich das gesamte Prozedere. Der digitale Zoom-In belichtet den Petite Mort der Entäußerung des Körpers hinein in das technologische Auge, des Subjekts in das Objektiv (Aufnahme-Technik). In der Linse bündelt sich die obsessive Lust am stets gleichen Motiv der Symbiose des Mannesinneren mit dem Landesäußeren (plus homoerotischer Verbrüderung: Body im Buddyland).
Die enorme Symbolkraft der Bilder wirkt auf das Verhalten der Sprüher zurück. Mediale Bildproduktion ist ein Selbstzweck, die realen Graffiti an der Wand bald obsolet.
SKIM / TCF
„Dis is ja ansonsten wie in die Luft gesprüht, man muss auf jeden Fall alles was man macht dokumentiern. Dis is auf jeden Fall ganz wichtig.“
PHOTO SVEN
„Also ich sprüh selber gar nich, aber ich fotografier seit vielen Jahren Gräffiti in Berlin und, ähm, im Lauf der Zeit ist da n Archiv entstanden, dass mittlerweile so rund siebzigtausend Bilder umfasst.“
EMMET E.
„Jeder Fotograf hat sein eigenes Archiv. Bei dem harten Kern könntest du das mit einer Briefmarkensammlung vergleichen. Ein bereits veröffentlichtes Graffiti gilt nicht nur bei den Malern als verbrannt und uninteressant. Es gibt sogar Fotografen, die ihre Fotos untereinander tauschen. Gibst du mir dies, geb ich dir das.“
V. The Day After
Die Inszenierung kommt ans Licht: polymorphe Farbcodes zeugen allerorten vom nächtlichen Reigen. Graffiti legt sich in feinen Netzen über eine Gesellschaft, die sich nicht länger trotzig darin verheddert: Hintergrundrauschen in einer kommerziell wie visuell ohnehin überladenen, psychotischen Metropolenwelt.
MR.IX / UT
„Ick freu mich, wenn se drüber sich ärgern, wenn se meckern, ick freu mich, wenn se dit geil finden, drüber reden. Worüber ick mich nich freue is, wenn set jarnich für voll nehmen und einfach in ihrn blöden, stupiden Arbeitsdasein, ihrn Alltagsgeschehen gar nichts mehr raffen, wie se allet andere dis nich raffen.“
Karl Hennig / Ehemaliger Nofitti e.V. Berlin
„Wir wollen ja, dass gerade die Kleinsten, äh, auch mit einem gewissen Wertebewusstsein aufwachsen, und, äh, mit welchem Wertebewusstsein solln die aufwachsen, wenn sie erleben, ihr Kinderspielplatz is immer völlig, völlig verwahrlost und beschmiert, oder die Kita is völlig verwahrlost und beschmiert. Wo soll dann ein gewisses Wertebewusstsein und Wertschätzung herkommen und ich denke, da, äh, äh, sollte man, nich, frühzeitig damit beginnen.“
Peter Brasche / Graffiti-Anwalt
„Ich kann nicht sagen, dass das Besprühen von Wänden oder U-Bahnen nun mich besonders begeistert. Ähm, dis is ne strafbare Handlung und das sich Leute darüber ärgern, das kann ich gut verstehn. Ich finde allerdings schon, dass wir vielleicht andere gesellschaftliche Probleme haben als insbesondere diese intensive Verfolgung von, äh, Sprayern.“
VI. Style- & Sex Talk
Sprühende Gangs und Crews sprengen sich ihren Weg durch die Syntax der Stadt und hinterlassen allerorten leuchtende Letter, Real-Life-Prints und Comicgebläse. Ihre Styles fungieren als Grenz-, Sprach- und Resonanzkörper, wirken als Speichermedium und Ort der Erinnerung (Entgrenzte Flächen, Wucherung, Drama).
Die ungestümen Pseudonyme zeigen eine abstrakte Illustration des chaotischen Inneren sich entfaltender Männlichkeit. Jeder neue Style ist der Versuch, die männlichen Gefühle während der laufenden Landnahme (r)auszudrücken und unmittelbar in eine polymorphe Struktur zu gießen, die der gewonnenen Landschaft entspricht.
Über das Flachland der verqueren Zeichen wird on- und offline kommentiert, philosophiert und geprotzt. Viele Maler haben endlich zu sprechen begonnen. Sie lästern, plaudern, fluchen und zaudern. Anonym zwar und unbeholfen, aber es ist ein Anfang. Ihr Landräuber-Sprech, die harte Sprache ihrer Lüste und Launen erzählt von Himmelreich-Hoffnungen (Paradies) und Pornland-Phantasien.
PEKOR
„Wenn einer ein gemaltes Bild von mir ansieht, ist meine Seele nackter, als wenn ihr ein Polaroid mit meinem Gesicht in einem Buch seht.“
ODEM / SOS
„Ich lasse mich nicht vom optischen Eindruck einlullen! Als heterosexueller Mann würde ich ja auch keine Frau heiraten, die rein äußerlich zwar extrem gut aussieht, mir aber von ihrem Denken, Handeln oder geistigen Niveau nicht zusagt. Logisch.“
STAR / BAD
„Eine Buchstabenkombi hoch zu bomben und alle zu Kenntnisnahme zu zwingen ist eben das, was wir schon immer gemacht haben. Über die Jahre hat man sie liebgewonnen und ihnen Bedeutung verliehen. Man kann ihnen Eigeneschaften zuweisen, sogar mit ihnen reden. Es ist eine intime Beziehung gewachsen.“
VII. Frauenkörper
Begehrtes Objekt par excellence. ‚Graffiti on Girls‘, Style-Shots vs. Cum-Shots, Trainwriting vs. PornRiding: die kulturelle Transformation des Penetrationsaktes in einen rein symbolischen Akt (Rückzug) gilt weithin als abgeschlossen.
Die performative Bedeutung des Sprühens und Spritzens, des Pinselns, Rollens und Kratzens erleben die Writer als erlösendes Moment (Action-Painting). Erlösung im Zugriff. Erlösung in der verbotenen Tat. Der männliche Körper zwischen größter Anspannung und kontrollierter Entladung verhält sich passiv explosiv. Addicted to Graff im Dauer-Loop: darauf kann Mann hängenbleiben. Die Graff-Shops werden von Mutti geführt.
KIRSTEN / Mutter von BAS2
„Die müssen ja erstmal alle anfangen auf Null und dann sich raufarbeiten, bis sie dann ngewissen Namen habe, ne. Viele schaffen es, viele schaffen es nicht.“
LIMPH / OX
„Der Ort, an dem ich fotografiert worden bin, zeigt eine wunderschöne, nackte und unbehandelte Brandschutzwand, wie sie es nur noch selten in Berlin gibt. Sie ist ein möglicher Tatort und vor meinem geistigen Auge wurde sie noch schöner.“
FINO / QB
„Na wir checken meistens ab, indem wir son paar Tage vorher gucken, was los is und dann is es eigentlich ne Instinktsache so. Wenn man ngutes Gefühl hat, geht man ran und wenn nich, dann lässt mans. Oder man macht halt noch schneller.“
Vince Prawn / Shriiimp (Graffiti on Girls)
„When I started Shriiimp in 2005 I never imagined it would take off as it did, or that there would be such a craze for it. The basic concept is very simple: most graffiti artists, including myself, have already painted on their girlfriends.“
VIII. Show-Realität
Die Menge der Inszenierungen bestimmter „Atmosphären“. „Ich war hier!“ wurde zum medialisierten „Been there, done that!“ Vor dem gesprühten Werk üben sich die Performing Kids als Show-Master (Train Trophies & Winner-Show-Offs). Die einladenden Gesten, Graffiti und Körpertänze der siegreichen Gastgeber (Hosts) motivieren Boys in aller Welt.
Performing = Hosting: Kolonialisierung stellt künftig ein Angebot dar, ein unterhaltsames Adoleszenz-Paket aus High-Tech, Suspense und Action. Einzig die nächtliche Geheimidentität läuft asynchron zum Biorhythmus, fortwährende Jagd und Erschöpfung dem ‚normalen‘ Leben der Graffiteros zuwider. Doppel- und Parallelleben sind ein Spiel auf Zeit.
KRIPOE / CBS / THE
„Orte und die Aneignung dieser spielen generell eine wichtige Rolle für mich und meine Arbeit. Das Besetzen von Orten ist eine Rückkopplung mit der Realität.“
HEIST189 / BDK
„Der Reiz im Graffiti liegt oft darin, zu beobachten, wie andere Sprüher mit ihrem Zeug gesehen werden möchten. Interessant ist es dann herauszufinden, wie sich deren Image mit der Realität verträgt. Man kann dabei zwei Modelle verfolgen: Authentizität oder Fiktion.“
FISO / HSK
„Im Writing geht es viel um Inszenierung und Mythos. […] Für mein Writing-Ich bedarf es keines Gesichts. Graffiti lebt von der Anonymität. Man steht immer in einem gewissen Zwiespalt. Eine Art Superheldenoptik!“
IX. MMOffRPG
Steht für: Massively Multiplayer Offline Role-Playing Game. Kommt natürlich vom Online Playing. Das Graff-Game vermengt sich real wie virtuell gern mit anderen Spielen fremder Landlords auf fremdem Terrain (Fussball-Graff, Ego-Shooter-Background-Graff, Skate- und Funpark-Graff etc.).
Industrie und Wirtschaft sponsern internationale Graffiti-Battles und -Festivals, benennen Sprühfarben nach namhaften Malern oder lassen sich eine Sonder-Edition Sneaker gestalten. Polizei, Buffer, Richter und Gesetzgeber treten nicht länger als Gegner ins Feld, sondern als Mitspieler. Sie sind in die Väter-Rolle hineingewachsen: weniger bestrafend, verständnis- und liebevoll, gar fördernd.
Sieg und Emotion: Väter und Söhne kämpfen um jeden Mann und inszenieren sich als Meute. Später bilden sich jeweils nostalgische Old-Boys-Netzwerke heraus.
TRON/WSK
„Trainwriting is für mich: Leidenschaft, Liebe, Action, Freundschaft, Gefahr, Spiel mit der Polizei. Einfach geil!“
Andreas Grabinski / Leiter der Sonderkommission Graffiti in Berlin
„Die gemeinsam Ermittlungsgruppe Graffiti, so wie sie damals noch hieß, wurde 1994 ins Leben gerufen, weil das Delikt aus Amerika langsam nach Europa rüber schwappte und in Berlin ein Ausmaß annahm, dass in besonderer Weise polizeilich darauf reagiert werden musste.“
Karl Hennig / (Ex)Nofitti e.V.
„Unser Interesse ist, wirklich, dieses Land, diese Städte und die Dörfer von dieser Last zu befreien.“
X. Twentyfour / Seven
Die klassische Writer-Karriere ist heute eine unter Vielen. Sie beginnt mit einem allgemeinen Medientraining und schließt mit der Professionalisierung bestimmter ‚Skills‘ wie Illustration, Grafikdesign, Fotografie, Kunst, PR, Organisation, Informatik, Audio, Video, Wissenschaft, Technik u.v.m.
Als berufsbegleitendes ‚Hobby‘ wird das opponierende Graffiti-Moment dann endgültig aufgegeben. Oder weitergegeben an die Söhne: aus freien Radikalen und Kolonisten werden treusorgende Väter und Berufstätige.
AZUR
„Also im Endeffekt isses die Leidenschaft, die einen immer wieder motiviert rauszugehn und neue Sachen zu machen. Auch wenns irgendwann Routine wird. Is wie arbeiten. Ich kann auch nich drei Wochenenden oder drei Nächte lang vorm Fernseher gammeln und irgendwelche Drogen nehm. Is irgendwie son innerer Trieb, der dir sagt: “Du musst das machen!“ Weiß nich, weils deine Arbeit is oder so.“
EAST / SED
„Ein wesentliche Faktor dabei ist die Leistung, nur wenn ich wirklich etwas leiste, fühle ich mich gut. Ich denke, dass die Graffiti-Szene in Berlin und die Leistungsgesellschaft einige interessante Parallelen aufweisen. Für Leistung gibt es Anerkennung, durch Anerkennung forme ich meine Identität.“
PLAK
„Egal was ich male, ich bin eigentlich nie zufrieden, also male ich weiter.“
XI. Eindringlinge (Penetrators)
Die Künstler unter den Berliner Malern wechseln aus der Graffiti- direkt in die Galerie-Szene oder an die Kunsthochschule. Es ist bemerkenswert, dass sie allesamt das Sprühen aufgeben und sich in ihren Werken ausschließlich der Landnahme verschreiben.
Das Big Sexy Land der Graffiti-City wird hier systematisch ausgeweitet und konzeptualisiert, es wird entjungfert Deflower Hidden Places, erobert Making Space Taking Place, kartiert Invisible Cities, verspekuliert ZASD Real Estate, bewirtschaftet Morphogenetic Field Device und bespielt Spontaneous Sculptures.
Deflower Hidden Places
Making Space Taking Place
Invisible Cities
ZASD Real Estate
Morphogenetic Field Device
Spontaneous Sculptures
Die authentische Performance im Öffentlichen Raum legitimiert die Indoor-Vernissage, den Open Space oder das Urban-Hacking-Seminar: das exzessive Repetitiv der Kunst- und Projektarbeit goutiert das raumgreifende Ritual im ehemaligen Panic Land Graffiti. Die hostkolonialen Strategien der ‚Sub‘-Kultur antizipieren die Konzeptionen ökonomischer Landnahme im expansiven Kapitalismus. Das Graffitileben als Training für das Berufsleben wird hier zur Karriere-Übung.
Und wieder wird versucht, den Außenraum im Innenraum nachzubauen und erfahrbar zu machen. Die Künstler arbeiten als Innenausstatter von Gallerien, White Cubes und Show-Rooms. Ihre Präsentationen, Installationen und Performances produzieren Authentizität als Projektion städtischer Räume. Der ‚Planet Prozess‘ prägt die CV- und Ranglisten der ‚Artists‘ fortan als exzessiver Room- und Body Count.
KRIPOE
„Ich denke, man bekommt nur ein Gefühl für eine Person, wenn sich diese nicht versteckt. Ich habe als Künstler kein Problem damit, zu sagen, dass ich mit Graffiti aufgewachsen bin und selbst Writer war und bin. Allerdings möchte ich nicht darauf reduziert werden. Meine Kleidung [Foto: hellgraues Hemd in dunkelgrauer Hose, schwarzer Gürtel, braun glänzende Schuhe] ist bewusst gewählt. Sie vermittelt Seriösität und eine gewisse Ernsthaftigkeit. Zwei Dinge, die Writern gerne abgesprochen werden.“
POET / GFA
„Ja heute isses so, dass ich, äh, vom, vom meiner, äh, Writingkunst, sag ich mal so in Anführungszeichen, dass ich davon leben kann, aber, äh, ja angefangn hat auch für mich alles auf Trains.“
Mischa Leinkauf / Künstler des Wermke/Leinkauf-Duos
„Es geht auch darum, in der Auseinandersetzung mit Orten ganz eigene körperliche und emotionale Erfahrungen zu machen. Deshalb führen wir alle Aktionen auch selbst durch. Das ist ebenso wichtig, wie das Eingehen bestimmter bestimmter Risiken im künstlerischen Sinne.“
Literaturverzeichnis
- Behrendt, Norman | Burning down the house. Berlin 2007-2012.
- Behnisch, Benjamin | Graffiti in Berlin. Mad Pictures Production. Video. Berlin 2005.
- Birg, Björn / Regel, Henrik | Unlike U. Video. Berlin 2010.
- Bonz, Jochen | Das Kulturelle. München 2012.
- Chalfant, Henry / Silver, Tony | Style Wars. Dokumentarfilm. USA 1983.
- Dr. Dre | Been There, Done That. In: The Aftermath. Musikalbum 1997.
- Downey, Brad | Spontaneuos Sculptures. Berlin 2011.
- Große, Jürgen | Urban Art Photography. Berlin 2008.
- Henkel, Oliva / Domentat, Tamara / Westhoff, Rene | Spray City – Graffiti in Berlin. Berlin 1994.
- Leinkauf, Mischa | Da oben bist du ganz allein. http://www.monopol-magazin.de/da-oben-bist-du-ganz-allein [zuletzt eingesehen am 11.03.2016].
- May, Christoph | Graffiti – Von Männern & Mauern. Youtube.com [zuletzt eingesehen am 17.08.2016].
- May, Christoph | Graffiti – Gefühle & Gewühle. Youtube.com [zuletzt eingesehen am 03.10.2016].
- Neumeister, Andreas | Könnte Köln sein: Städte. Baustellen. Roman. Frankfurt/Main 2008.
- Power of Style | Berlin Stylewriting. Aschaffenburg 2003.
- Prawn, Vince | Holy Shriiimp! The Bible Vol. 1. http://shriiimp.bigcartel.com/product/holy-shriiimp-the-bible-vol-1 [zuletzt eingesehen am 11.03.2016]
- Revolting Cocks | Big Sexy Land, Wax Trax! Records. Chicago 1986.
- Tagno, Daniel | Morphogenetic Field Device. https://www.youtube.com/watch?v=uZmfo_PPF1A [zuletzt eingesehen am 23.04.2016].
- Theweleit, Klaus | Buch der Königstöchter. Von Göttermännern und Menschenfrauen. Mythenbildung vorhomerisch, amerikanisch. Frankfurt/Main 2013.
- Theweleit, Klaus | Männerphantasien. Frauen, Fluten, Körper, Geschichte. Bd. 1. Frankfurt/Main 1977.
- Ton Steine Scherben | Rauch-Haus-Song. In: Keine Macht Für Niemand. Musikalbum. Berlin 1972.
Das Radikale / LIT Verlag
Herausgegeben von Stephanie Willeke, Ludmila Peters und Carsten Roth
Der Bereich Kunst und besonders die Literatur weisen seit jeher eine große Affinität zum Radikalen in verschiedenen Ausprägungen auf. Der Sammelband spürt diesem Phänomen in drei verschiedenen Zusammenhängen nach – als literarisches Verfahren, das vor allem formale Aspekte fokussiert, als literarisches Motiv, das auf inhaltlicher Ebene angesiedelt ist, sowie als zugeschriebenes oder selbst evoziertes Autorencharakteristikum.