„Ich denke, dass mich Männlichkeit persönlich einschränkt“
Kritische Männlichkeit ist ein Trend, von dem nicht nur Frauen, sondern vor allem Männer profitieren können.
Von Tasnim Rödder jetzt Magazin – Süddeutsche Zeitung
Auszug
„Kritische Männlichkeit ist eine Teil-Disziplin der feministischen Theorie und ohne den Feminismus nicht zu denken“, sagt Männerforscher Christoph May im Interview. Er ist Gründer des HeTox Magazine, das sich der kritischen Männlichkeit widmet. Zudem gibt er regelmäßig Workshops zum Thema.
„Kritische Männlichkeit möchte den Mann kritisch und profeministisch reflektieren und in der Öffentlichkeit zur Sprache bringen“, erklärt May. Er sagt „profeministisch“, um die Leistung der feministischen Bewegung als Mann nicht zu vereinnahmen. Für Männer bedeute das vor allem Selbstkritik und Awareness: Wie bestimmen Männerbilder den Alltag? Wieso verdient die Kollegin 21 Prozent weniger? Warum wenden Frauen pro Tag 87 Minuten mehr Zeit für Care-Arbeit auf als Männer?
Noch populärer ist der Begriff der toxischen Männlichkeit. Doch im Gegensatz zu dem Begriff, der erst einmal männlich-normierte Verhaltensmuster beschreibt, geht kritische Männlichkeit weiter. Sie fasst zusammen, dass Männer für die Gleichberechtigung nicht nur Privilegien abgeben, sondern davon profitieren. Und sie gibt Handlungsanweisungen. […]
Christoph May schlägt zum Thema Fußball vor: „Um die mediale Übermacht von Männerfussball zu stoppen, empfiehlt es sich: nicht gucken, nicht hingehen, abschalten.“ Stattdessen solle man in Teams mit Maximum 20 Prozent Männeranteil spielen und sich jede Meisterinnenschaft anschauen. Dass er damit nicht unbedingt die Mehrheit der Männer erreicht, ist ihm bewusst. Er versteht seine Tipps als Instrumente, den Status quo, also das Machtgefälle zwischen Mann und Frau, erst einmal fühlbar zu machen.
Als radikal will May nicht gelten: „Wie könnte das zu radikal sein? Im Gegenteil.“ Es sei viel mehr eine Offenbarung nach 36 Jahren voller kultureller Männermonotonie. Eine Frage der Perspektive. Durch kritische Männlichkeit entdecke er zum Beispiel tolle Bücher, Songs und Serien von Frauen, die er vorher nicht gesehen hatte.“