Männerbilder & Bodyshaming

Shalin Rogall im Gespräch mit Christoph May für Deutschlandfunk Nova

Dienstag, 20. Oktober, 21Uhr ab21

Shalin Rogall Über die Bilder in unseren Köpfen, wie Männerbilder auszusehen haben, habe ich mit dem Männerforscher – ja, das ist eine echte Job-Beschreibung – Christoph May gesprochen. Ich wollte als erstes mal wissen, Christoph, müssen Männer denn Muskeln haben?Was sagen die Forscher?

Christoph May Also Männer müssen überhaupt keine Muskeln haben, natürlich nicht. Sie glauben nur, sie haben zu müssen, weil sie eben alle haben. Das Körperbild des gestählten, hochtrainierten Mannes ist sehr dominant, im Grunde viel zu dominant, viel zu einseitig, hochproblematisch, was andere Männerbilder ausschließt und gar nicht zulässt.

SR Du sagst gerade, Männer denken, sie müssten Muskeln haben, also kommt es eher von Männern, dieses Bild, oder denken jetzt auch die Frauen, ja, Mann mit Muskeln, das sollte schon so sein?

CM Frauen reproduzieren natürlich auch diese Männerbilder, aber die werden vor allem von Männern in die Welt gesetzt. Auf ARTE gibt es gerade eine super Doku, woher genau diese Bodybuilding-Männlichkeiten kommen, wann das angefangen hat, das kann ich sehr empfehlen.

SR Wie werden denn dünne oder schlacksige Männer wahrgenommen?

CM Vor allem werden sie als Nerds wahrgenommen. Da fallen mir jetzt als Serien/Film Pendant Sheldon Cooper oder Howard Wolowitz aus Big Bang Theory. Supersexistische Serie, kann man gar nicht mehr gucken heute. Oder eben als Freaks, als Außenseiter natürlich wie Otis Millburn in Sex Education oder als hoodytragende Hacker wie Elliot in Mr. Robot oder, wenn es ältere Männer sind, dann gern auch als Superbrains. Bei Star Girl gibt es ein böses Superbrain, der total knochig ist, sich im stillen Kämmerchen radikalisiert und einen perfiden Plan verfolgt. Also immer emotional verschlossen, nerdig, ungelenk natürlich, sonderbar …

SR Also nicht so sexy, ne?

CM …nein, sexy gar nicht. Eher so verknöchert, blass, verkopft, langweilig natürlich und den Körperpanzer-Männern immer unterlegen.

SR Und was ist dein genereller Blick auf die Filme, auf die Popkultur? Was wird da vermittelt? Welche Männerkörper werden da reproduziert?

CM Vor allem diese Körperpanzer-Darstellungen, die sind sehr dominant. Der Begriff kommt vom Männerforscher Klaus Theweleit, der hat das in den siebziger Jahren in den Männerphantasien entwickelt, und das ist das dominierende Männerbild bei HBO, Netflix, Amazon und Disney. Also immer auch übermännliche Fähigkeiten, Supermänner, Superhelden, die immer einen enormen Druck aushalten müssen, Welten retten müssen. eine zweite Inszenierungsform, die sehr dominant ist, sind Aliens, Mutanten, Zombies und Monster, also das kreatürliche Innere von Männern. Was hier verhandelt wird, das ist die emotionale Sprachlosigkeit von spätmodernen Männlichkeiten. Alle immer supergeschreddet wie die Ingenieure in Prometheus zum Beispiel.

SR Was für Folgen hat es, wenn so eine Vorstellung immer wieder reproduziert wird, wie Männerkörper auszusehen haben?

CM Wir sind uns oft nicht bewusst, dass der Impact von Serien und Filmen auf des gesellschaftliche Unterbewusstsein enorm ist, gigantisch. Das beginnt bei der Prägung unserer Kinder, wenn wir uns nicht repräsentiert sehen, dann ist das hochproblematisch, weil wir uns gar nicht vorstellen können, wenn wir aufwachsen und später auch, dass andere Rollenbilder vorstellbar sind, weil es einfach nicht gezeigt wird, weil wir nicht vorkommen. Ja, solange es keine diversen Rollen- und Körperbilder gibt, solange kann es auch keine diversen Phantasien geben und diverse Drehbücher.

SR Ich überleg gerade mal, ob es denn auch so Positivbeispiele gibt, in Filmen, Serien, wo andere Bilder vermittelt werden, wo vielleicht sehr dünne Männer auch attraktiv sind oder es einfach auch völlig okay ist, dass die so auffallend dünn sind.

CM Mir fällt alles von Ryan Murphy ein, kann ich sehr empfehlen. Hab ich kürzlich The Politician gesehen und da wird eine Diversität gezeigt an Männerbildern, zwischen den Sexualitäten, unterschiedlichste Hautfarben natürlich, Charaktere, Körperformen, alles. Und wenn man das mal zu sehen bekommt, wird einem plötzlich deutlich, was man sonst nicht zu sehen bekommt und wie dominant und monoton diese ganzen Körperpanzerinszenierungen sind. Von Ryan Murphy kann ich auch Hollywood empfehlen, super Serie, auch superdivers, ganz toll gemacht, der hat das super auf dem Schirm. Aber ja, solche Bilder sieht man nicht oft.

SR Es scheint eher die Seltenheit zu sein.

CM Hmm, leider, ja.

SR Ehrlich, aber ein bisschen hart. Christoph May habt ihr gerade gehört vom Institut für Kritische Männerforschung. Christoph, danke für das Gespräch.

CM Gerne.

Bodyshaming – Wer dünn ist, muss nicht gleich an einer Essstörung leiden

„Iss mal was“, „Du bist bestimmt magersüchtig“, „Du Lauch!“: Für ihren Körper ernten einige von uns regelmäßig ziemlich übergriffige Sprüche. In der Ab 21 sprechen wir mit Menschen, die einfach von Natur aus sehr dünn sind.

Moderatorin Shalin Rogall
Gesprächspartner:innen Nessa Ellesar, Prof. Dr. Johannes Hebebrand, Dominik Evers, Christoph May, Friedrich Schorb

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