Darum zeigen sich Politiker mit nacktem Oberkörper beim Impfen Kurier
Die überraschenden Folgen des Selfie-Trends sorgen für gemischte Meinungen in den sozialen Medien. Ein Männerforscher erklärt den Hintergrund.
Von Ingrid Teufl | 12. Februar 2021
Statements Gegen einen unsichtbaren Feind, dem es völlig egal ist, wie Menschen aussehen oder welches Geschlecht sie haben, wirkt die Inszenierung von gestählter, durchtrainierter Männlichkeit doppelt irrsinnig. Zudem ist es ein männliches Privileg, überall seinen Oberkörper entblößen zu dürfen. Frauen, inter oder trans Personen ist dieses Privileg nicht vergönnt. Es ist also immer auch eine Machtdemonstration, die wir oft als rücksichtslos und reaktionär wahrnehmen. Die strukturelle und repräsentative Macht liegt zwar bei Männern und Männerbünden, es gelingt uns aber zunehmend besser und schneller, toxische Männlichkeiten zu erkennen, zu dekonstruieren und zu ächten. Das ist ein gutes Zeichen.
Nach empathischen Statements und Gesten von Männern suchen wir dieser Tage vergeblich. Stattdessen sehen wir überall männliche Experten, Leugnung und Abwehr. Je offensiver übrigens die männliche Abwehr, desto größer die Angst, die ihr zugrunde liegt. Je mehr Muskeln also angespannt und je mehr Sixpacks entblößt werden, umso deutlicher zeigen Männer, dass sie Angst haben. Vor dem Stich, vor der Krankheit, Versagensängste und vieles mehr. Die emotionale Sprachlosigkeit von Männern ist legendär und die Pandemie führt uns dieses Versagen jeden Tag deutlich vor Augen. Jetzt sogar sprichwörtlich in Form von hypermaskulinen Impf-Selfies. Was wirklich zählt, sind Mitgefühl, Trost und Anteilnahme. Joe Biden zum Beispiel gelingt das sehr gut in seinen Ansprachen aktuell.