„Männlichkeit muss überall verdächtig werden“ Barfuss

Interview mit Männerforscher Christoph May

Feminismus an den Mann bringen, lautet das Credo der Arbeit von Christoph May. Der Männlichkeitenforscher über das Problematische an männlichen Monokulturen, toxischer Männlichkeit und Männerfantasien.

Von Teresa Putzer / Veröffentlicht am 03. August 2023 im Barfuss Magazin

Als „stumpf, leer und reaktionär“, beschreibt Christoph May homogene Männergruppen. Er forscht am Institut für kritische Männerforschung. Der Detoxikologe für Männlichkeit ist in einem männlich dominierten sozialen Umfeld aufgewachsen und war selbst jahrzehntelang in männlichen Monokulturen unterwegs – solange, bis ihm das alles zu „toxisch und lame“ geworden ist. Gemeinsam mit seiner Partnerin Stephanie May hat der 44-Jährige das Detox Masculinity Institute gegründet und hält nun vorwiegend Seminare, Vorträge und Workshops über Männerbünde, Männerbilder und kritische Männlichkeit in Firmen und Unternehmen.

AUSZUG „Man würde nicht glauben, wie sehr der Begriff „Männerlimit“ viele Männer triggert und provoziert. Ein weiterer Beweis dafür, wie fragil Männlichkeit ist und dass Männer immer das Gefühl haben, ihnen würde etwas weggenommen werden, das ihnen zustünde. Das Problem bei dieser Abwehrhaltung ist das fehlende Verständnis für strukturelle Gewalt. Die meisten Männer denken, dass wir bereits in einer geschlechtergerechten Welt leben. Allzu gerne verweisen Männer dabei auf die Gesetzeslage und fordern: „Zeig mir eine Stelle im Gesetz, wo FLINTA* nicht gleichberechtigt sind.“ Solche Aussagen zeigen das völlige Unverständnis von struktureller Gewalt und die Ignoranz gegenüber der Lebensrealität von FLINTA*. Das Ausblenden von weiblichen und queeren Lebensrealitäten ist die antifeministische Abwehrstrategie Nummer Eins. […]

Sport, Literatur, Film, Serien: FLINTA*-Produktionen nehmen gerade richtig Fahrt auf. Um noch einmal auf den neuen Barbie-Film zu verweisen: Der geht gerade komplett durch die Decke. Barbie ist die historisch weltweit meist geschaute FLINTA*-Produktion an einem Premieren-Wochenende. Aber auch im Sport gibt es tolle Entwicklungen. Die mediale Sichtbarkeit der Frauenfußball-WM in Neuseeland und Australien war noch nie größer. Gerade im Fußball kann man wunderbar beobachten, wie langweilig und festgefahren die deutsche Männer-Nationalmannschaft unter Jogi Löw im Gegensatz zu den Frauen ist. Frauenfußball ist allein aus sportlicher Perspektive so viel spannender und besser, wird finanziell aber noch immer nicht so gepusht wie die Männer-WM. Wir können bei jeglicher medialer Unterhaltung – in Filmen, Serien, Büchern –toxische Männlichkeit finden.“

Barfuss Magazin „Männlichkeit muss überall verdächtig werden“

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