


Es ist ein weiter Weg zur Gleichberechtigung Heilbronner Stimme
Forscher Christoph May erklärt, warum Männer oft gar nicht merken, wenn sie Frauen diskriminieren
Von Jürgen Paul | Freitag, 14. März 2025
„Männer nehmen die Welt nicht wahr, weil sie selber glauben, sie seien die Welt.“ Mit diesem Zitat von Virginia Woolf ist das Hauptproblem schon benannt. Männer merken (meistens) nicht, wenn sie Frauen diskriminieren, das sagt zumindest Christoph May. May hat 2016 gemeinsam mit seiner Partnerin das Institut für kritische Männerforschung gegründet. Und er verzeichnet nach eigenen Angaben eine stark steigende Nachfrage aus verschiedensten Bereichen nach seinen Vorträgen, Seminaren und Workshops zu diesem Thema. Am Montagabend ist May auf Einladung der Führungsfrauen Raum Heilbronn, der Hochschule Heilbronn und dem Mentoringprogramm Woment nach Heilbronn gekommen, um über seine Männlichkeitsforschung zu berichten. 120 Interessierte sind in die Bibliothek des Bildungscampus gekommen, die Frauen sind klar in der Überzahl.
Dabei richtet sich Mays Forschung in erster Linie an Männer. „Männer müssen sich für Frauenrechte einsetzen und das Patriarchat bekämpfen“, betont er. Denn Männer seien es, die für die strukturelle Benachteiligung der Frauen verantwortlich sind. May hört allerdings häufig von Männern, dass doch längst Gleichberechtigung herrsche. Darüber kann der Männlichkeitsforscher nur den Kopf schütteln. Und rät dazu, solchen Ansichten konsequent mit Zahlen und Fakten zu begegnen. „Durchzählen, sichtbar machen, klar benennen“ solle man die Diskriminierung der Frauen, fordert May und nennt Beispiele. So werden ihm zufolge 91 Prozent der deutschen Städte und Gemeinden von Männern regiert. „Wir haben mehr Bürgermeister, die Thomas heißen als Frauen in diesem Amt“, sagt May. Im neuen Bundestag ist der Männeranteil auf rund 68 Prozent gestiegen.
Bei zwei großen Düsseldorfer Karnevalsvereinen sind Frauen als Mitglieder verboten. Und Frauen leisteten in Deutschland unbezahlte Care-Arbeit in der Familie in einem Volumen von 825 Milliarden Euro pro Jahr. Trotz dieser unglaublichen Zahl habe sich in seinen Seminaren noch nie ein Mann darüber aufgeregt, wundert sich May. In Europa sieht es nicht besser aus: „In keinem Land der EU wurde Gleichstellung bisher erreicht“, sagt der Forscher. Stattdessen sei toxische Männlichkeit weltweit auf dem Vormarsch: Ob die AfD in Deutschland oder Trump, Putin und Orban auf der internationalen Bühne – „Männer verhindern alles, was die Welt jetzt noch retten könnte“, sagt May. Die männlichen Rollenbilder seien tief in uns allen verankert. Im Kino etwa dominierten männliche Helden, die die Welt oder zumindest schöne Frauen retten. Und: „Männer reden nicht, sie kämpfen.“ Daran werde sich nur etwas ändern, wenn die patriarchalen Strukturen zerstört werden, glaubt May. Männerbünde etwa, die es von der Kirche bis zur Polizei in allen Bereichen des Lebens gebe, wo Männer unter sich sind und die wichtigen Fragen klären, während Frauen höchstens Kaffee kochen dürfen.
Christoph May hat unzählige Beispiele für die strukturelle Benachteiligung von Frauen dabei, einige Frauen aus dem Publikum bestätigen seine Forschungsergebnisse. Es wird an diesem lehrreichen Abend klar, dass der Männlichkeitsforscher noch viele Seminare und Workshops veranstalten muss, bis sich hier etwas ändert.