Männermonotonie
Ein paar Empfehlungen, was Mann dagegen tun kann.
Von Christoph May
Veröffentlicht im Equal Pay Day Journal 2023 – Die Kunst der gleichen Bezahlung / Herausgegeben vom Verband Business and Professional Women Germany e.V. und unterstützt vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
Ich bereue jeden Tag, in männlichen Monokulturen aka Patriarchat sozialisiert worden zu sein, und nicht in einer diversen, gleichgestellten Welt. Ich freue mich jeden Tag, noch vierzig, fünfzig Jahre weibliche, queere und nicht-männliche Perspektiven in Musik, Film, Serien, Literatur und Sport erleben zu können, zu dürfen.
Die ersten 30 Jahre meines Lebens habe ich mich weitgehend unbewusst und unreflektiert in männlich dominierten Umgebungen bewegt, männliche Actionfilme, Superheroes und Fantasy-Epen geschaut, Männermusik gehört, Männer gelesen, männlicher Freundes- und Kollegenkreis. Zwölf Jahre später bin ich ein feministischer Männlichkeitsforscher mit dem Schwerpunkt Film- und Serienanalyse. Männerbilder und männliche Erzählungen von House of the Dragon über die Universen von Star Wars, Disney, DC und Marvel bis zu The Rings of Power zeigen eindrucksvoll, wie die übermächtige Fantasielosigkeit von Männerfantasien in Drehbüchern und Romanen aktuell wieder so richtig Fahrt aufnimmt. Die reaktionäre und kulturelle Armut dieser Produktionen wird uns noch viele Jahrhunderte erheblich prägen und schaden.
Für alle, die genauso unterfordert und abgestoßen sind wie ich, sich nicht repräsentiert sehen und keine Lust mehr haben auf Gewalt-, Macht- und Männermonotonie in Realität und Fiktion, gibt es zwei sehr wirksame und simple Optionen. Auf der strukturellen Ebene solltet Ihr sämtliche Männerrunden hinter Euch lassen. Sobald der Männeranteil in Kultur, Sport, Wirtschaft, Politik und Medien über 20 Prozent liegt, einfach nicht mehr hingehen, aussteigen, absagen. Die gewonnene Quality Time könnt Ihr sogleich prima nutzen, um Euren Medienkonsum (repräsentative Ebene) auf weibliche, queere und diverse Produktionen umzustellen. Hier ein paar erstklassige Empfehlungen für Euch:
Die beste Serie über Toxic Masculinity heißt Bad Sisters (Sharon Horgan). Vier Schwestern versuchen, die fünfte von ihrem hochtoxischen Ehemann zu erlösen. Bei Ginny & Giorgia (Sarah Lampert) stehen eine alleinerziehende Mom und ihre Tochter im Mittelpunkt, denen kein Mann jemals gewachsen sein wird. Bei Workin’ Moms (Catherine Reitman) spielen die Männer ebenfalls nur Nebenrollen. Echoes (Vanessa Gazy) zeigt, wie zwei eineiige Schwestern einmal im Jahr unbemerkt komplett ihre Rollen, Männer und Jobs tauschen. Nicht zu vergessen das wahnwitzige Spiel zwischen der Verlegerin Sofie und ihrem Praktikanten Max in Love & Anarchy (Lisy Langseth).
In Feel Good (Mae Martin) verliebt sich die genderfluide Comedian Mae aus Kanada in die bisher heterosexuelle Lehrerin George aus London. Während Gentleman Jack (Sally Wainwright) auf den Tagebüchern der englischen Gutsbesitzerin, Industriellen, Bergsteigerin und ersten modernen Lesbe Anne Lister basiert. Verpasst auf keinen Fall die neue Reality Show Watch out for the Big Grrrls von Lizzo. Und gebt Euch die großartige Doku Disclosure von Laverne Cox über 100 Jahre trans representation on screen. Kürzlich habe ich leider sechs Jahre zu spät Carrie Pilby (Caren Lissner) entdeckt und aktuell schaue ich The Essex Serpent (Sarah Perry) und Insatiable (Lauren Gussis), die beide einfach nur wow losgehen.
Abschließend möchte ich Euch unsere ongoing Detox Masculinity Youtube-Playlists ans Herz legen, wo wir feministische Musik, Serien, Filme und Video Essays für Euch sammeln. Und wenn Ihr Lektüre- oder Social-Media-Empfehlungen benötigt, mailt mir einfach, schicke ich Euch gern zu. Denn wer seinen Medienkonsum erst einmal auf divers umgestellt hat, will garantiert nicht mehr zurück, sondern mehr davon.
Feministisch
Gentleman Jack: Anne Lister reist, investiert und liebt frei und unabhängig. Finanziell eigenständig braucht sie keinen Mann, der für sie sorgt. Anne ist furchtlos und selbstbestimmt – und dabei charismatisch. Ihrer Zeit in jederlei Hinsicht weit voraus, heiratet sie eine Frau. All-female Power Couple. Selbst die vierte Wand hin zu den Zuschauenden durchbricht sie immer wieder. Mit drei Frauen (Sally Wainwright, Sally Harding, Jennifer Perrott) in der Regie und Intimacy Koordinatorin Ita O‘Brien kommen die erotischen Szenen ganz ohne den Voyeurismus des male gaze aus. (Natascha Heinisch)
Maskulistisch
Das offenkundigste Problem bei Star Wars aktuell sind die vier rein männlichen Protagonisten in den Prequels vom Mandalorianer und Han Solo über Boba Fett bis Andor. Bei House of the Dragon sehen wir männliche Könige in Männermonarchien, die rein männliche Heere befehligen, männliche Erbfolge, extreme männermonotone Fantasielosigkeit in der Story und einzig billige Pathosgefühllagen plus Gewalt und Intrigen, das übliche. Rhaenyra kommt doch ernsthaft nicht ohne Daemon weiter (siebente episode)?! Ohne Gatte und Liebe erfolgreich zu sein, ist in dem Männerepos nicht vorgesehen.
In Die Ringe der Macht sind die Monarchiefantasien noch heftiger. Blutsverwandschaft über alles, Männerorcs, Trolle, Magier, Männerzwerge im Bergbau (Frau kocht und erzieht), keine Elfenqueens, aber Elfenprinzessinnen, das ganze Männermärchenarsenal wieder back in Fantasy Town. Dann Fremdenfeindlichkeit (unser Reich, deren Reich, klare „Rassen“trennung, die meisten Protagonist:innen sind weiß), Klassentrennung, keine Gerichte, keine Presse, keine gewaltfreie Diskussions- oder Konfliktlösungskultur, sondern Orders and Demands. Archaische und idealisierte Naturparadise (zero Umweltprobleme, zero Klimawandel) und Männerfantasielandschaften. Das Böse immer männlich, Männer saufen, Frauen servieren und machen Wäsche/Haushalt oder arbeiten als namenlose Huren. Nicht zu vergessen das ewig simple Gut gegen Böse, ergo SchwarzWeißDenken, also Populismus, Infantilisierung, alles unterkomplex, niemand ist kritikfähig, konsensfähig, you name it.
Beide Epen mit ihrer enormen Reichweite und weltweiten Wirkmacht feiern also antidemokratische Männermonarchien. In Star Wars genauso. Das ist die dominante Gesellschaftsform männlicher Drehbücher, während wir auch im Real Life mit viel TamTam die britische Queen beerdigen und einen neuen König inthronisieren, den niemand braucht und der viel zu viel Macht und Money hat. Die Männerfantasien also nur ein Abbild aktueller antidemokratischer und antifeministischer Autokratenfantasien überall.